8. August 2016

Wertschätzende Wortwahl statt abgedroschener Phrasen

„Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.“ Dieser Satz aus dem Talmud hängt als Postkarte neben meinem Schreibtisch. Er soll mich beim Texten immer wieder daran erinnern, wie viel Einfluss Sprache auf unsere Gedanken und unser Tun haben kann. Und wie wichtig es ist, achtsam mit ihr umzugehen. Beim Schreiben wie im Alltag verwende ich möglichst positive, klare Formulierungen. Ich sage: „Halt das Glas gut fest“ statt „Lass es nicht fallen“, „Fahr sicher!“ statt „Fahr vorsichtig!“ oder „Ich mähe heute den Rasen“ statt „Ich muss heute noch Rasen mähen“. Ich „kümmere“ mich nicht um die Kinder, sondern „betreue sie“ (denn Kummer bereitet es mir nur extrem selten) und ich mache Yoga „für meinen Rücken“ statt „gegen Rückenschmerzen“.

Auch beim journalistischen Schreiben wähle ich positive, stärkende Formulierungen und vermeide leere Phrasen. Diese jedoch lauern überall. „Es ist wieder soweit“, „am Ende des Tages“, „von A nach B fahren“ oder „im Rahmen von“ sind solch inhaltsleere Worthülsen, die einem schnell in den Sinn kommen, sich aber mit etwas Nachdenken durch konkretere Bezeichnungen ersetzen lassen. „Im Rahmen hängen nur Bilder“ lernt man von erfahrenen Redakteuren. Besser ist es, konkret zu formulieren, dass etwas aus einem bestimmten Anlass stattfindet. Also statt „Im Rahmen des Sommerfestes gab es eine Rede“ besser „Martin Meyer eröffnete das Sommerfest mit einer Rede zu Thema XY“.

Vor kurzem bin ich auf eine Website gestoßen, die sich mit Phrasen in der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung widmet. Meine Güte – dachte ich da – es stimmt, wie gedankenlos ich auch in diesem Zusammenhang unsinnige Redewendungen benutze. Floskeln wie „Er ist an den Rollstuhl gefesselt“ oder „Trotz ihrer Behinderung lächelt sie viel“ betonen stark die Opferrolle und erzeugen negative Bilder, die das öffentliche Ansehen behinderter Menschen prägen. Das Portal Leidmedien hat aus der Sicht von behinderten und nicht behinderten Medienschaffenden Tipps für eine Berichterstattung aus einer anderen Perspektive und ohne Klischees zusammengestellt. Zum Beispiel könnten Journalisten statt „Sie leidet an …“ einfach schreiben „Person X hat die Behinderung …“ – und schon ist das „Leiden“ ausgeklammert. Wirklich eine tolle Idee!