27. Januar 2020

jetzt-Artikel über die Halbwertszeit von Gefühlen

Vor Kurzem ist mir ein Fehler passiert. Und zwar nicht im Privatleben – das kann man ja meist gut geradebiegen –, sondern in meinem Job als freie Texterin. Der Fauxpas war mir so peinlich, dass mir wortwörtlich heiß und kalt geworden ist, als ich ihn bemerkte. Nach dem ersten Scheck jedoch kam mir ziemlich schnell der Gedanke: Jetzt Schaden großräumig beheben und dann nicht mehr daran denken – in einem halben Jahr ist die Sache sowieso vergessen! Woher ich das weiß? Weil mir in der Vergangenheit natürlich auch schon Fehler passiert sind (ich bin ja ein Mensch und keine Maschine). Und weil es dann tatsächlich so war, dass nach etwas Zeit „Gras über die Sache“ gewachsen war oder sich zumindest „die Wogen etwas geglättet haben“ (wie gut, hier ein paar Sprichwörter auf meiner Seite zu haben).

Das Phänomen des Wartens darauf, dass Gefühle (genauer: der Zusammenhang zwischen einem Gefühl und einer bestimmten Wahrnehmung) von selbst abklingen, nennt jetzt-Redakteurin Mercedes Lauenstein die „Halbwertszeit von Gefühlen“. In ihrem wunderbaren Artikel „Kenne deine Halbwertszeiten! Warum es hilft zu wissen, wie lang es dauert, bis du ein Gefühl überwunden hast“ schreibt sie über das mit dem Alter wachsende Bewusstsein für die Einschätzung von vor allem negativen Gefühlen wie Wut, Traurigkeit, Scham oder Liebeskummer. Denn diese nehmen, so die Autorin, eben nach einer bestimmten Zeit ab. Bei plötzlicher Wut seien das Minuten, bei Herzschmerz schon mal Monate, aber insgesamt verlören Gefühle in der Regel an Intensität. Und das haben wir vor allem dem Älterwerden und dem Erfahrungsgewinn zu verdanken. Mercedes Lauenstein zum Ende des Textes: „Zu kapieren, dass Gefühle nicht halb so absolut sind wie ihr dramatisches Gehabe, ist eine sehr tröstliche Erkenntnis. Man wird ein bisschen routinierter im Fühlen und das bewahrt einen vor dem Wahnsinn.“ So wahr!