21. März 2022
Der lebensentscheidende Unterschied

Liebe Leserinnen und Leser: Beim Thema genderneutrale Sprache gehen die Meinungen auseinander. Ob es als Verunglimpfung deutschen Sprachguts, Barriere für den Lesefluss oder längst überfälliges Zeichen von Anerkennung betrachtet wird, das weibliche Geschlecht gesondert zu benennen, bleibt derzeit noch jedem/jeder selbst überlassen. Wo eine Ignoranz des Unterschieds zwischen den Geschlechtern sich allerdings unverantwortlich – und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich – ausmacht, ist der Bereich Medizin.
Denn noch immer werden Krankheitssymptome heute in der Regel auf der Basis männlicher Symptome bei bestimmten Krankheitsbildern eingeordnet. Mit gravierenden Folgen, wie unter anderem der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) in seiner Rubrik MDR wissen aufzeigt. Für ihren Beitrag „Frauen brauchen eine andere Medizin als Männer“ hat Autorin Katja Schmidt Ärztinnen interviewt, die klar sagen: Beispielsweise bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterscheiden sich die Symptome von Frauen deutlich von denen bei Männern. Das sei einer der Gründe, warum unter anderem ein Herzinfarkt bei Frauen oftmals nicht sofort diagnostiziert und eine entsprechende Therapie angeordnet wird. Eine für Frauen lebensgefährliche Situation. Auch die Pharmazie sei in erster Linie darauf ausgelegt, beim Testen neuer Medikamente männliche Probanden zu bevorzugen. So wird es auch hier kompliziert zu erkennen, welche Nebenwirkungen das Medikament gegebenenfalls bei Frauen hervorrufen könnte. Ein kaum fassbarer, unhaltbarer Zustand in einer Gesellschaft, die sich selbst als modern und emanzipiert ansieht.
Um die Emanzipation auch in der Medizin durchzusetzen, braucht es offenbar noch viel Arbeit, Forschung – und vor allem den Willen. Höchste Zeit für ein Umdenken.